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Kerstin Mitzschke hat seit dem vergangenen Jahr die erste digitale Begleitstelle für Eltern von Kindern mit Behinderungen und/oder chronischen Krankheiten zusammen mit Bonnie Thottukadavil aufgebaut. Im Interview spricht sie über ihre eigenen Erfahrungen als Mutter eines chronisch kranken Kindes und erklärt, wie das Projekt betroffenen Eltern helfen kann, neuen Mut zu schöpfen und geeignete Unterstützung zu finden.
Warum hast du dich entschieden, an der digitalen Begleitstelle für Eltern von Kindern mit Behinderungen und/oder chronischen Krankheiten mitzuarbeiten?
Einerseits, um betroffene Eltern vor allem mental zu unterstützen, andererseits, um praktische Hilfe in Form eines digitalen Angebotes bereitzuhalten. Der Gedankenaustausch mit anderen Eltern, wie wir ihn in unserer Community anbieten, ist ebenfalls sehr wichtig und kann enorm entlasten.
Hast du einen persönlichen Bezug zu deinem Projekt?
In der Tat, das war ein weiterer Grund, wieso ich die digitale Begleitstelle mit aufgebaut habe. Als Mutter eines Kindes mit Bipolarer Störung weiss ich um die Herausforderungen betroffener Eltern.
Was sind die grössten Herausforderungen für betroffene Eltern?
Die Verarbeitung von traumatischen Ereignissen wie die Geburt eines Kindes mit Behinderungen oder unfallbedingte Verletzungen mit bleibenden Mobilitätseinschränkungen sind eine grosse Kraftakt. Anfangs fällt es nicht leicht, die eigene Haltung zu reflektieren und gegebenenfalls anzupassen sowie zur Situation zu stehen und sie anzunehmen. Sich bewusst werden, das Leben geht weiter und hat viele Formen und Potential zu einem erfüllten Leben. Eine grosse Hürde stellt der Umgang mit diesem sensiblen Thema Behinderung in der Gesellschaft dar. Den Eltern begegnen nicht selten Stigmatisierung und Ausgrenzung, was häufig zum Rückzug der betroffenen Familien führt. Hier braucht es Fachexpert:Innen, welche beispielsweise durch eine Mediation zwischen Beteiligten vermitteln, um gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Was Eltern auch oft Probleme bereitet, ist, sich selbst nicht zu verlieren, genug Zeit für die Paarbeziehung einzuplanen.
Wie hilft das Projekt Eltern konkret?
Wir bearbeiten zusammen mit Fachexperten und PEER´s die für betroffene Eltern relevanten Themen. Deshalb bietet EnableMe eine Reihe von ansprechenden, informativen Artikeln und Erfahrungsberichten, die den Eltern zeigen: «Sie sind mit Ihrer Situation nicht alleine!» Dadurch sparen sich Mütter, Väter und Begleitpersonen zeit- und kraftraubende Eigenrecherchen im Internet sowie die Odyssee, als die sich die Suche nach geeigneten Ansprechpersonen und Expert:Innen oft herausstellt.
Warum hältst du persönlich das Projekt für wichtig?
Weil die eigene Gesundheit und/oder Paarbeziehung der betroffenen Eltern oft auf der Strecke bleiben. Nicht wenige Eltern fühlen sich von ihrem Umfeld im Stich gelassen. Selbst enge Familienangehörige und Freunde sind oft damit überfordert. Hier können wir mit der digitalen Begleitstelle beratend zur Seite stehen, mit Informationen und Austauschmöglichkeiten unterstützen und ein Stück weit auch vorhandene Zurückhaltung, Distanziertheit und Berührungsängste auflösen.
Worin lagen die grössten Herausforderungen des Projekts?
Eine grosse Herausforderung lag darin, Eltern oder andere Begleitpersonen zu finden, die bereit waren, ihre Erfahrungen zu teilen. Die Gesellschaft funktioniert in diesem Kontext noch nicht optimal. Die Berührungsängste und mangelnde Lebenserfahrung in diesen Themen sind grosse Hürden.
publiziert in der Ostschweiz: https://www.dieostschweiz.ch/artikel/appell-an-eltern-von-kindern-mit-behinderungen-sie-sind-nicht-alleine-AdrmDR6
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